Andrè Kalkhoff - Spinalonga und seine traurige Geschichte

Spinalonga und seine traurige Geschichte

Die Geschichte von Spinalonga.

Das Eiland Spinalonga dürfte wohl durch einen Vulkanausbruch von der Halbinsel getrennt worden sein. Seine strategische Bedeutung wurde von den Venezianern erst 375 Jahre, nachdem sie Kreta erobert bzw. buchstäblich erkauft hatten, erkannt. Erst 1579 besiedelten sie die Insel und errichteten dort eine Festung – bestes venezianisches Festungshandwerk wie an so vielen Stellen auf Kreta, das über vier Jahrhunderte ohne nennenswerte Schäden überstand. Die Venezianer ließen sich auch etwas einfallen, um den schwächsten Punkt der Insel zu
umgehen: Auf Spinalonga gab und gibt es keine Brunnen.
So versahen sie die Hausdächer mit Wasserscheiden und sammelten das Regenwasser in großen Zisternen. Sie sind heute noch zu sehen.

Niemand weiß, ob es die Furcht vor dem mit 35 Kanonen ausgestatteten Bollwerk war oder pure Nachlässigkeit: Die Insel wurde von den Türken erst besetzt, als es für sie auf Kreta seit Jahrzehnten nichts mehr zu erobern gab: 1715. Zum Vergleich: Heraklion fiel nach 20-jähriger Belagerung bereits 1669. Über 1000 türkische Familie machten es sich in den Häusern der
Venezianer bequem. Mit der Idylle war es vorbei, als Kreta 1889 einen autonomen Status erhielt.

1903 beschloss die Inselregierung, Spinalonga zur Leprakolonie zu machen. Kranke aus ganz Griechenland wurden hierher gebracht, die bis dahin als Ausgestoßene völlig isoliert in
Erdlöchern, Höhlen oder primitiven Hütten gelebt hatten. Es gab für sie keine Arbeit und keine medizinische Versorgung.

Es gibt einen spannenden Roman über Spinalonga.
Insel der Vergessenen

Auf Spinalonga dagegen fanden sie die Geborgenheit in einer Gruppe. Zwar mussten sie auch hier jahrzehntelang ohne Arzt auskommen, und Wasser und Essen wurde nur unregelmäßig vom Festland herübergebracht. Aber dieses karge Leben musste ihnen lebenswerter vorkommen als das als Aussätzige fernab der dörflichen Gemeinschaft. Eine solche schufen sie sich auf der nur 440 Meter langen und 250 Meter breiten Insel. Paläste aus venezianischer Zeit wurden als Krankenhäuser genutzt, die kleineren Baute zu Wohnhäusern und Geschäften ausgebaut. Schließlich gab es auf Spinalonga Tavernen, eine Kirche, eine Theatergruppe und eine eigene Zeitung.

Das Leben in der Leprakolonie war seit den 30iger Jahren leichter geworden. Die Regierung ließ elektrisches Licht installieren, baute Labors und ein regelrechtes Krankenhaus. Jetzt kamen regelmäßig Ärzte auf die Insel, um die Kranken zu betreuen. 1948 wurden die zweistöckigen Wohnblöcke errichtet, die Besucher heute noch sehen. Sie wirken wie Fremdkörper zwischen venezianischen und türkischen Bauresten.

Die letzten Leprakranken verließen die Insel 1957 und wurden in ein Athener Krankenhaus gebracht. Seitdem ist Spinalonga unbewohnt. Die Gebäude verfallen, aber einige sind bemerkenswert gut erhalten. An einigen Stellen wirken die schmalen Gassen der Insel so, als wären die Bewohner erst kürzlich fortgezogen. Bei gutem Wetter erwacht die Insel zu neuem Leben. Hunderte von Ausflüglern, die von Agios Nikolaos mit großen Ausflugsbooten anreisen, durchstreifen die Gassen, blicken in alte Handwerksläden und bewundern die von wild wachsenden Pflanzen überwucherten Festungsbauten.